26. November 2022

Wir sind nicht die einzigen, die diesen Samstag mit Kletterabsichten in das Tessin reisen. Ich habe den Eindruck der Zug ist voll mit Seilen, Kletterfinken und motivierten Gesichtern. Tatsächlich sind die Bedingungen optimal, schon beim Aussteigen in Ponte Brolla, ziehe ich meine erste Schicht aus. Der Zustieg zum Fusse des Monte Garzo ist einmal mehr herbstlich: begleitet durch das Rascheln des Kastanienlaubes stehen wir nach ca. 40min an der Wand. Am Einstieg zeigt sich, dass vor 20 Jahren definitiv ein anderes Bohrhakenverständnis herrschte: der erste Haken der Route «Via Serenissima» machen wir in ca. 10m Höhe aus. Bald sind wir kletterbereit und starten mit den offensichtlich plattigen Einstiegslängen. In den ersten drei Längen ist Fusstechnik alles. Sich für eine kleine Struktur entscheiden, präzise Hinstehen, glauben dass es hält und aufstehen. Das Timing ist perfekt, schon in der zweiten Länge klettern wir von der Sonne begleitet. Die vierte Länge erfordert ein kleines botanisches Intermezzo. Langsam stellt sich die Wand auf. Es folgt eine spannende 5c-Leisten Seillänge. Und nochmals zwei Längen eher plattigen Charakters. Besonders die 6b+ Reibungsstelle in der 7. Seillänge erfordert tiefes Ausatmen und stehen auf Mikrotritten. Nun sind wir definitiv in der Headwall. Die drei Schlusslängen bieten geniale Kletterei. Der strukturierte Fels erfordert immer noch ein grosses technisches Repertoir, dazwischen gibt es auch kräftigere Passagen, wie Piazz-Schuppen, kleine Dächlein oder Steilwände die wir zu überwinden haben. Mit einem grossen Smile gelangen wir ans Top. Das war jetzt wirklich cool! Wir seilen über die Route ab, geht meistens ok, nur hie und da kämpfen wir mit einem Gingster oder Brombeerstrauch. Kurz nach 16 Uhr sind wir zurück am Wandfuss. Energie tanken, Kletterzeugs zusammenpacken und zurück nach Ponte Brolla. Es reicht noch für einen kurzen Apéro bevor wir uns auf den Heimweg machen. Danke für den tollen Tag!

Die erste Seillänge der «Via Serenissima» bietet 50m Plattenkletterei.

Blick nach oben: es folgen noch einige Plattenlängen, bevor wir in die steile Headwall gelangen.

Schon kurz nach dem Start scheint die Sonne in die Wand: perfekte Kletterbedingen Ende November!

Die vierte Seillänge traversiert stark, dazwischen einige Schritte durch das raschelnde Laub.

In der 7. Seillänge gibt es eine knifflige Plattenpassage (6b+) zu bewältigen.

Geniale Kletterei in der 8. Seillänge (6b): Zuerst hoch an einer Piazschuppe und danach anhaltend technische Kletterei an kleinen Leisten bis zum Stand.

Sicht zu den Schneebergen im Valle Maggia.

Zum Abschluss einen kleinen Überhang und eine Platte, unterwegs in der zweitletzen Länge (6c).

Blick zum Lago Maggiore im schönen Herbstlicht.

Die letzten Meter bis zum Top, weit unten fliesst die Maggia dahin.